Deutschland gehört zu den globalen Spitzenreitern in der Medizintechnik und ist nach den USA der zweitgrößte Standort weltweit. Die Branche konnte 2023 solide Zahlen vorweisen: Mit einem Gesamtumsatz von 40,35 Milliarden Euro erzielte sie laut dem Statistischen Bundesamt ein Wachstum von über fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders das Auslandsgeschäft stach hervor und wuchs um sechs Prozent auf 27,37 Milliarden Euro, während der Inlandsumsatz mit einem Plus von drei Prozent auf 12,98 Milliarden Euro ebenfalls zulegte.
Deutsche Medizintechnik ist international gefragt. Die USA und China bleiben die wichtigsten Exportmärkte, wie Daten des Industrieverbandes Spectaris zeigen. Fast 19 Prozent der Exporte gehen in die USA, während etwa acht Prozent nach China geliefert werden. Im Jahr 2023 stiegen die Ausfuhren in die USA um vier Prozent, in die Volksrepublik China um 1,5 Prozent.
Auch innerhalb Europas ist die deutsche Medizintechnik führend: Mit einem Anteil von 41,1 Prozent am europäischen Branchenumsatz von rund 134 Milliarden Euro setzen deutsche Hersteller, einschließlich kleiner Unternehmen, Maßstäbe. Diese Zahlen unterstreichen eindrucksvoll die zentrale Rolle der deutschen Medizintechnik – sowohl für den europäischen als auch für den globalen Markt.
Trotz dieser positiven Umsatzentwicklung, die vor allem dem starken internationalen Geschäft zu verdanken ist, steht die Medizintechnikbranche vor erheblichen Herausforderungen. Steigende Kosten in nahezu allen Bereichen belasten die Gewinnsituation vieler Unternehmen und Prognosen für 2024 und 2025 gehen von einer deutlich geschmälerten Gewinn- und Investitionslage in der Medizintechnikbranche aus.
Die Ausgangslage:
Die Auswirkungen der Corona-Pandemie
Die vergangenen Jahre, die weltweit von den Aus- und Nachwirkungen der Corona-Pandemie geprägt waren, verliefen für die Medizintechnikbranche weniger turbulent als für viele andere Industrien. Im Gegensatz zu anderen Branchen konnte die Medizintechnik während der Corona-Pandemie einige positive Entwicklungen verzeichnen. Trotz Herausforderungen wie Produktionsstillständen und rückläufigen Auftragseingängen – etwa sieben Prozent Einbußen laut dem Trendreport Corona von Spectaris – zählt sie zu den Branchen, die von der Krise profitiert haben.
Denn die Pandemie hat die immense Bedeutung der Gesundheitsversorgung und innovativer Medizintechnik verdeutlicht und zu einer erhöhten öffentlichen Anerkennung sowie verstärkten Investitionen geführt. Ein Beispiel ist die Initiative des Bundesforschungsministeriums, das im September 2020 rund 20 Millionen Euro in die Forschung und Entwicklung neuer Medizintechnologien investierte. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek betonte damals, dass solche Innovationen entscheidend zur Bewältigung der Pandemie beitragen könnten. Auch global waren die Auswirkungen spürbar: Die Gesundheitsausgaben in den OECD-Ländern stiegen 2021 im Schnitt auf 9,7 Prozent des BIP – ein signifikanter Anstieg im Vergleich zu den stabilen 8,8 Prozent der Vorjahre.
Die größten Herausforderungen der Branche in diesem Jahr
Nach Jahren zunehmender Investitionsbereitschaft und verstärkter Aufmerksamkeit zeigt sich nun eine spürbare Abnahme dieses Trends. Auch die Medizintechnikbranche bleibt nicht von der globalen Rezession der Wirtschaft verschont. Die Herbstumfrage 2024 des Bundesverbands Medizintechnologie (BVMed) zeigt, dass die Mitgliedsunternehmen des Verbands für 2024 nur noch mit einem Umsatzwachstum von 1,2 Prozent rechnen – ein deutlicher Rückgang im Vergleich zum Vorjahr, als noch ein Anstieg von 4,8 Prozent erwartet wurde. Angesichts der weiterhin steigenden Kosten erwarten nur zehn Prozent der Unternehmen eine Verbesserung ihrer Gewinne im Vergleich zum Vorjahr. Dies hat spürbare Auswirkungen: Investitionen in den Standort Deutschland nehmen ab, und der Innovationsklima-Index des BVMed verharrt auf einem niedrigen Niveau.
Die angespannte Geschäftslage in der Medizintechnikbranche ist laut der Umfrage vor allem auf die stark steigenden Kosten am Standort Deutschland zurückzuführen. Besonders belastend empfinden 78 Prozent der befragten Unternehmen den wachsenden bürokratischen Aufwand, während 72 Prozent die steigenden Personalkosten als größte Schwierigkeit nennen. Ebenfalls problematisch sind die erhöhten Logistik- und Transportkosten sowie die gestiegenen Zertifizierungskosten durch die Einführung der Medizinprodukteverordnung der Europäischen Union, die jeweils von 66 Prozent der Unternehmen als Hürden genannt werden. Weitere Herausforderungen sind der Fachkräftemangel, der Preisdruck durch Einkaufsgemeinschaften und Klinikketten, die hohen Energiepreise, strengere Umweltauflagen und Berichtspflichten sowie steigende Rohstoffpreise.
Dieser Druck auf die Gewinnsituation der Branche zeigt auch deutliche Auswirkungen auf die Investitionstätigkeit in Deutschland: 30 Prozent der BVMed-Mitgliedsunternehmen haben ihre Investitionen im Vergleich zum Vorjahr reduziert. Im Fokus der Unternehmen steht Effizienzsteigerung und Kosteneinsparung.
Entgegenläufiger Trend bei Beschäftigungszahlen: Branche schafft weiter Arbeitsplätze
Trotz der Belastungen durch gestiegene Kosten und der geringeren Investitionsbereitschaft bleibt die Medizintechnikbranche in Deutschland ein verlässlicher Jobmotor. Laut der BVMed-Herbstumfrage 2024 planen 32 Prozent der Unternehmen, ihre Belegschaft im Vergleich zum Vorjahr zu vergrößern (2023: 31 Prozent), während 42 Prozent die Mitarbeiterzahlen stabil halten. Insgesamt stieg die Zahl der Beschäftigten in der Medizintechnik 2023 leicht um ein Prozent auf knapp 161.400 und wächst damit seit Jahren konstant.
Besonders gefragt sind Ingenieurinnen und Ingenieure, kaufmännische Auszubildende, Medizintechnikerinnen und -techniker, Pflegekräfte sowie Informatikerinnen und Informatiker, Absolvent:innen der Naturwissenschaften und Data Scientists. Letzteres verdeutlicht die zunehmende Bedeutung datengetriebener Lösungen und Digitalisierungsprojekte, die oft mit dem Ziel verbunden sind, Kosten zu senken und Prozesse effizienter zu gestalten. Dennoch konzentriert sich die Suche nach qualifizierten Mitarbeitenden nicht gleichermaßen auf alle Bereiche. Die Suche fokussiert sich vor allem auf den Vertrieb, gefolgt von Marketing und Regulatory Affairs, Qualitätsmanagement, Logistik sowie Forschung und Entwicklung.
Diese Schwerpunktsetzung spiegelt die aktuellen Trends der Branche wider. Vertriebsmitarbeitende und Marketingmanager spielen eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, den Umsatz zu steigern und neue Märkte zu erschließen. Der Fokus auf die Produktion und Logistik zeigt hingegen, wie wichtig es für Medizintechnik-Unternehmen ist, Prozesse effizienter zu gestalten und Kosten einzusparen – insbesondere angesichts der steigenden Anforderungen an Lieferketten und Materialverfügbarkeit. Regulatory Affairs und Qualitätsmanagement tragen dazu bei, die hohen Standards in der Medizintechnik zu sichern und neue Produkte schneller auf den Markt zu bringen, was wiederum die Profitabilität unterstützt. Insgesamt zeigt sich, dass die Medizintechnikbranche gezielt auf Beschäftigung und gut ausgebildete Talente setzt, um die Herausforderungen der angespannten wirtschaftlichen Situation zu bewältigen und gleichzeitig ihre Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit weiter auszubauen.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Medizintechnikbranche in Deutschland in einem Spannungsfeld aus großen Chancen und erheblichen Herausforderungen steht. Während steigende Kosten, bürokratische Hürden und der Fachkräftemangel den Druck auf Unternehmen erhöhen, bleibt die Branche dank ihrer Innovationskraft und internationalen Bedeutung eine zentrale Säule der Gesundheitswirtschaft. Die gezielten Investitionen in Forschung, Digitalisierung und Effizienzsteigerung zeigen, dass die Unternehmen sich auch mit Neueinstellungen strategisch auf die Zukunft ausrichten.